Frenetischer Beifall als Dank für einen schönen Abend

Musikgemeinschaft begeistert bei ihrem ersten Orchesterkonzert der Saison durch große Intensität und eine ausgereifte Gestaltung

Von Brunhild Schmelting

MARL "Unreif und altklug, kein Genie nach meiner innigsten Überzeugung, sondern höchstens ein Talent." Diese Worte Hans von Bülows galten dem jungen Komponisten der Serenade Es-Dur op. 7, Richard Strauss. Eine wenig freundliche Meinung, die der berühmte Dirigent schon bald revidierte, indem er das Werk in sein Programm aufnahm.

Diese Serenade für Blasinstrumente des siebzehnjährigen Strauss, die das erste Orchesterkonzert der Musikgemeinschaft Marl eröffnete, entzückte durch eine Vielzahl musikalischer Einfälle. Eine beschwingte Melodik und rhythmisch interessante Akzentuierungen, die das Werk kennzeichnen, ließen die festliche Heiterkeit späterer Strauss-Werke vorausahnen. Von besonderer Schönheit: eine hauchzart schwebende Melodie über einem Fagott-Ostinato, feierliche choralartige Passagen. In der sensiblen Interpretation der dreizehn Bläser gewann diese erfrischende Komposition Farbe und Konturen.

In Johann Nepomuk Hummels Adagio, Thema und Variationen für Oboe und Orchester f Moll op. 102 war der Einfluss Mozarts unverkennbar. Im Adagio die anmutig-feierliche Melodie des Oboensolos über einer verhaltenen orchestralen Begleitung, eine ruhevolle Harmonie zwischen Soloinstrument und Orchester. Im Allegretto ein reizvolles Thema, ein festliches Musizieren, das der Oboe Raum gab, ihre Kantabilität und Virtuosität zu entfalten. Unglaublich schön die Kantilenen der Solistin Claudia Schoppmann, die behende Geläufigkeit und die feinen dynamischen Abstufungen ihres Spiels. Von monumentaler Gewalt und ergreifender Bewegtheit die Sinfonie Nr. l c-Moll op. 68, mit deren Plänen Johannes Brahms sich fast zwei Jahrzehnte beschäftigte, bevor er sie veröffentlichte. Lange Zeit hatte er gezögert, zu groß war sein Respekt vor Beethoven.

Der eingangs zitierte Hans von Bülow nannte die Sinfonie "Beethovens Zehnte"; denn er betrachtete sie als eine Weiterentwicklung von Beethovens Neunter. Parallelen zu Beethovens Sinfonien sind unverkennbar, die Spuren der Tragik, der formale Aufbau, das strahlende C-Dur-Finale. Ein Allegro voller Spannung und Leidenschaft in einer Interpretation von erlesener Schönheit: Ein Musizieren, das sich harmonisch zu einem wunderbaren Ganzen fügte, ein Schwelgen in Wohlklang. Das Andante, lyrisch, bildhaft, spannungsreich und in schöner Ausgewogenheit musiziert. Graziös und geschmeidig das Allegretto in duftig-transparenter Farbigkeit, von den Holzbläsern und Streichern besonders fein gestaltet. In der Adagio-Einleitung des Finales ein choralartiges Posaunenmotiv, von Streicherfiguren umspielt, im Piu Allegro ein jubelndes cantabile-Thema von strahlender Schönheit. Frenetischer Beifall bedeutete ein großes Kompliment an die Solistin dieses Abends, Claudia Schoppmann, den Dirigenten Armin Klaes, der durch klug bemessene Impulse zu der großen Intensität des Vortrags entscheidend beitrug, und vor allem an das Ensemble, das mit seiner ausgereiften Gestaltung dem Publikum ein wunderschönes Konzerterlebnis schenkte.


Quelle: Marler Zeitung, Samstag 5. Oktober 1996


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