Wind, Wellen und die weite See
Beeindruckende Meeresimpressionen beim 1. Sinfoniekonzert der Marler Musikgemeinschaft
Von Stefan Pieper
Marl. Auf hoher See wähnt sich das Publikum beim Konzert der Musikgemeinschaft.
Einige Stücke, die das Orchester zum Auftakt der neuen Konzertsaison präsentierte, hatten eben diesen
programmatischen Hintergrund. Das Orchester legte sich mächtig ins Zeug für eine aussagekräftige
Ausgestaltung der vielen Stimmungen und Zustände von Wind, Wellen und Wasser bei einer Seefahrt, wie sie nicht
zuletzt auf Felix Mendelssohn Bartholdy eine magische Faszination ausübten. Und der Tubaspieler Marc Lankeit
demonstrierte als Solist des Abends auf diesem tiefsten Blechblasinstrument eine perfekte Instrumentenbeherrschung.
Dabei ist das Programm ohnehin auf viel Kurzweiligkeit ausgelegt. Treffsicherer wie mit Mendelssohns
Hebriden-Ouvertüre hätte der Abend nicht beginnen können. Das Werk hat die majestästische
Größe der endlosen Weiten auf See und das Anlaufen ferner Eilande in großer tonmalerischer
Geste eingefangen. Und das Orchester erweist sich unter Endrös Dirigat als eingespielte Crew, um nicht
vom rechten Kurs abzukommen. Dynamisch auf den Punkt gehen die Crescendi, sauber intonieren alle Stimmen
und eine berührende Sanglichkeit wird von den solistischen Stimmen, vor allem von den Flötensoli
erzeugt.
Dann hatte ein Interpret aus den eigenen Reihen das Solistenpult für sich: Marc Lankeit, 25 Jahre jung,
hat soeben sein Studium an der Folkwang-Hochschule abgeschlossen. Sein künstlerisches Spektrum reicht
heute von klassischer Sinfonik bis hin zur Bigband - und diese Flexibilität ist in jedem Ton von Ralph
Vaughan Williams Solokonzert für Tuba bestens spürbar! Was geht nicht alles auf diesem Instrument,
wenn man es so zu spielen weiß wie Marc Lankeit. Rasant, ja federleicht muten die Läufe seiner
Soloparts an. Derweil treibt das Orchester in marschartiger Bewegung unaufhaltsam voran, entfacht genug
mitreißenden Drive, der - nach einem lyrischen Intermezzo im langsamen Satz - den Solisten zu
regelrecht jazzigen Klangfarben herausfordert. Enthusiastische Bravo-Rufe sind die logische Konsequenz.
Dann wieder Mendelssohn: Die Konzertouvertüre "Meeresstille und glückliche Fahrt"
zeichnet einmal mehr die atmosphärischen Zustände auf See nach. Das idyllisch-stille Wasser
wird schnell zu etwas Lähmendem, wenn kein Wind da ist. Die gedämpften Klangfarben des
Musikgemeinschaft-Orchesters illustrieren genau diesen emotional zwiespältigen Zustand. Die weit
gespannt elegisch-süßlichen Melodiebögen verweisen hier latent auf Wagner. Dass es da
eine Beeinflussung gibt, hatte Endrös in seiner gehaltvollen Anmoderation des Konzerts ja schon
angedeutet.
Doch dann wird endlich Fahrt aufgenommen - sowohl im zweiten Teil der Ouvertüre als auch im
Folgenden in einer kraftstrotzenden Interpretation von Haydns letzter Sinfonie Nr. 104. Und noch
einmal erweisen sich die Stimmen im Orchester mustergültig ausbalanciert und stimmig miteinander
verzahnt. Ganz zu schweigen vom sprichwörtlichen spielerischen Schwung, der in den Reihen der
Musikgemeinschaft gerade bei so einem Werk aufkommt!
Quelle: Marler Zeitung vom 01.10.2012
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